Ein bescheidener Vorschlag, wie man verhindern kann, dass die Kosten der Straßenausbaugebühren die Portemonnaies der Bürger plündern oder dauerhaft den Kassen der Kommunen zur Last fallen
„Gleiches gilt nicht für Gleiche“
Die Gefahr, dass wir Dingen in unserem Leben begegnen, die schon längst überholt sind, ist eine Tatsache, deren tiefe Einschnitte in unser Rechtsverständnis mich schon lange beschäftigen. Betrachten wir zum Beispiel unser schönes Hessenland, gelegen im Herzen unserer Republik, umgeben von formal gleichgestellten Bundesländern, denen, die Zufriedenheit ihrer Bewohner zu fördern, leicht fällt, haben deren Bewohner doch nicht unter einer gewaltigen Doppelbelastung zu leiden, wie wir bedauernswerten Hessen.
Denn während von den 16 deutschen Bundesländern lediglich vier in den schon seit Menschengedenken durchgeführten Länderfinanzausgleich einzahlen, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und eben Hessen, so ist es doch einzig unser armes Hessenland, welches keine Scheu dabei empfindet, seine Bewohner darüber hinaus auch für die Erneuerung seiner (sic!) Straßen zur Kasse zu bitten. Während also den fleißigen Bürgern von Baden-Württemberg, Bayern und Hamburg bloß die eine Tasche geleert wird, erwischt es uns Hessen kalt, wenn wir am Ende des Tages mit zwei leeren Taschen dastehen. Die deutsche Sprache kennt dafür nur einen Ausdruck: ein Skandal!
Zwar erwerben wir mit unseren Straßenausbauzahlungen weder Eigentum an der jeweiligen Straße, die an uns vorbeiführt, noch haben wir selbst die Schadhaftigkeit der Straße vor unserem Anwesen, welche im Laufe der Jahre unabänderlich voranschreitet, zu verantworten und schon gar nicht erwerben wir durch unsere Zahlungen Eigentum oder irgendwelche Privilegien, etwa in Form von personalisierten Parkplätzen vor unserem Haus o.ä.
Mehr noch – dies zur Nachhilfe aller Kritiker unseres Widerstandes gegen die, salopp „Strabs“ genannten Straßenausbaugebühren – jeder einzelne laufende Meter vor unseren Grundstücken wurde schon einmal, mit den Kosten der Erschließung nämlich, bezahlt.
„Alle Anlieger sind gleich, aber manche sind gleicher als andere“
Von den 16 Bundesländern unserer Republik haben neun Straßenanschlussgebühren entweder nie erhoben (Baden-Württemberg und Bremen) oder sie haben diese abgeschafft, nämlich Bayern, Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Thüringen und zuletzt Sachsen-Anhalt; diese vorgenannten Bundesländer, also die Mehrheit, behelligen ihre Bürger nicht mehr mit diesem Anachronismus „Straßenanschlussgebühren, einer Gebühr, die aus der Zeit gefallen zu sein scheint und endlich abgeschafft gehört.
Während einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder (bis zur Abschaffung im Dezember 2019) Sachsen-Anhalt den Kommunen die Erhebung der Straßenausbaugebühren vorschreiben („Soll-Bestimmung“) konnte sich die hessische Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP bisher zu keiner verbindlichen, das heißt einheitlichen Entscheidung durchringen, sondern gab die Frustrationsquelle als Überbringer der schlechten Nachrichten an die Parlamente der hessischen Städte und Gemeinden weiter. Sollten diese doch den Unmut der Bewohner unmittelbar auf sich ziehen, natürlich „wohl dosiert“ und nur „straßenweise“, versteht sich, denn wären alle Bürger einer Kommune gleichzeitig betroffen, dann hätte diese wischi-waschi Regelung sicher schon lange keinen Bestand mehr.
So aber schafft man die Basis dafür, dass sich hessen-landauf hessen-landab, Bürgermeister und Magistrate mit aufgebrachten Bürgern streiten und diese Stellvertreter-Scharmützel ausfechten müssen, nur weil man, mit Verlaub gesagt, seinerzeit (zuletzt am 7. Juni 2019) in Wiesbaden nicht das Rückgrat hatte, die anteiligen Straßenausbaugebühren abzuschaffen und die Kosten, z.B. etwa 60 Millionen für das vergangene Jahr für ganz Hessen, zu übernehmen. Man stelle sich einmal vor, dass in allen etwa 330 verbliebenen Kommunen (in Hessen gibt es insgesamt 423 Kommunen), welche diese Gebühren noch von ihren Bürgern zu erheben gedenken, die betroffenen Anlieger von ihrem Recht, ohne Bedürftigkeitsprüfung ihrer Situation – denn das ist der Status quo – eine Stundung ihrer Gebühren auf 20 Jahre beantragen und gleichzeitig Widerspruch einzulegen, Gebrauch machen: zu Recht würde man das als eine beispiellose Vergeudung von Zeit, Zinsen und Zufriedenheit aller Beteiligten abkanzeln.
Daher der Aufruf an die Hessische Landesregierung: „Beenden Sie diesen ruinösen Wettbewerb, welche Kommune noch innerhalb dieses Jahrzehnts am meisten geschädigt werden könnte!“
„Eine Übersicht über den aktuellen Stand der Ungleichheit“
Mit Stand vom Februar 2020 haben über 130 hessische Kommunen ihre Bürger aus dieser Fron der Straßenausbaugebühren entlassen, zum großen Teil bestimmt auch aus der Gewissheit heraus, die Zeit sinnvoller investieren zu können, als damit, Haus- und Grundstücksbesitzer, mithin Steuerzahler aus der Mitte der Gesellschaft mit dubiosen Abgaben zu belasten, die in nicht wenigen Fällen ganze Existenzen bedrohen und einer Politikverdrossenheit Vorschub leisten, die bei vielen Sonntagsreden im ganzen Hessenland unter Krokodilstränen bedauert wird; wir sagen dazu nur: „Selber schuld!“
„Gleichheit – leicht verspielt!“
Aber auch dann, wenn man mit spitzem Bleistift die Vor- und Nachteile der Erhebung von Straßenausbaugebühren seitens der Kommunenabwägt, gelangt man schnell zu der Erkenntnis, dass diese, von Städteplanern so genannten „harten Standortvorteile“, nämlich die Interessenten und Käufer von Wohneigentum durch die eben nicht zu befürchtenden Kosten von Straßenausbaugebühren in absehbarer Zukunft nach einem getätigten Kauf „anzulocken“, nicht hoch genug als Standortvorteil für die Kommune bewertet werden kann; erscheint doch vor diesem Hintergrund die landesweit beklagte „Verödung von Ortskernen“ und das „Ausbluten von Innenstädten“ in einem ganz neuen Lichte…
Die leichtfertig zugelassene Ungleichheit bei der Behandlung von finanzschwächeren ländlichen Gebieten gegenüber oft finanzstärkeren städtischen Landesteilen soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
„Letzter unter Gleichen?“
Auch wenn man heute nicht mehr mit dem Slogan der 60er und 70er Jahre „Hessen vorn“ auf Stimmenfang geht, so muss noch in der Gegenwart wenigstens verhindert werden, dass unser Hessenland als eines der allerletzten Bundesländer seine geschätzten Bürger von den unseligen Straßenausbauabgaben befreit wird und, das sei an dieser Stelle noch einmal wiederholt, die Doppelbelastung, die aus Zahlungen gemäß Länderfinanzausgleich und Straßenausbaugebühren besteht und die allein für Hessen gilt, endlich gestoppt wird! Denn ein Slogan wie „Hessen ganz hinten“ gereicht keinen Entscheidungsträgern in Wiesbaden zur Ehre, ganz gleich welcher Partei sie angehören mögen.
In diesem Zusammenhang sei – aus gegebenem Anlass und weil es sich in Hadamar im letzten Jahr so begab – noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht förderlich ist, wenn der Hessische Städte- und Gemeindetag, Wanderpredigern gleich, Referent/Innen zu öffentlichen Bürgerversammlungen mündiger Bürger entsendet, die, inhaltlich leer und auf einem schmalen Grat wandelnd, das Thema Straßenausbaugebühren und wiederkehrende Straßenanschlussgebühren aus der Ecke des Emotionalen hin zum kühlen Berechnen von Zahlen und Fakten führen sollen; Kunstfiguren, in der Gestalt von vorgeblichen Experten, die – auch namentlich an Werbefiguren eines bekannten hessischen Apfelweinherstellers erinnern und, wie trunken von solch edlem Tropfen, durch ihren Vortrag nur das Misstrauen der Bürger gegen die Verantwortlichen in der Kommune schüren: das braucht kein Mensch!
Vielmehr sollte es den Entscheidungsträgern der hessischen Kommunen gemeinsam mit ihren Bürgern – und gerne auch umgekehrt, wie die vielen erfolgreichen Bürgerinitiativen zeigen – endlich gelingen, der leitenden hessischen Landesregierung im fernen Wiesbaden zu einer klareren Sicht der Dinge im Lande zu führen und schnellstmöglich die Straßenausbaugebühren für leidende Bürger abzuschaffen: Straßenausbaugebühren sind jeweils vor Ort kein Problem für die Masse – aber ein massives Problem für die Einzelnen.
Hic Rhodos – hic salta! Oder: gleich geht’s los, zeige hier und jetzt, was du kannst
Wir als Bürgerinitiative der Obergasse in Niederzeuzheim bitten übrigens nicht um die Gnade der Abschaffung der Straßenausbaukosten, sondern bieten jetzt und hier die Chance, sich für alle Zeiten mit einer erfolgreichen Initiative zum Wohle der Kommune und im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit in ganz Hessen zu profilieren und Rückgrat und Standhaftigkeit zu zeigen – zum Wohle unserer Stadt Hadamar und zur Befriedung unseres Hessenlandes – in der Hoffnung, dass dieselbe Entscheidung dereinst einst auch in unserer Landeshauptstadt getroffen werden wird.
„Relative Gleichheit – kann es das geben?“
Zu argumentieren, die jetzige Abschaffung der Straßenausbaugebühren sei ungerecht gegenüber all jenen, die vorher diese Gebühren schon bezahlt hätten, kann nur als Scheinargument dienen; es wäre nicht redlich suggerieren zu wollen, dass eine nicht berechenbare Anspruchslawine vergangener Kosten auf die Kommunen zukommen könnte und dies wäre dann bloße Demagogie! Oder, wie wir Hessen sagen: hinter dem Pflug ist geackert! Mehr habe ich dazu nicht auszuführen – wenngleich ich nicht vergessen möchte, all den Vielen – weniger erfolgreichen – Wegbereitern unseres Anliegens von ganzem Herzen zu danken! Sie sollten zumindest gut mit dem Bewusstsein leben können, sich für eine gerechte Sache stark gemacht zu haben!
Zum guten Schluss möchte ich noch einmal die Zahl von vorhin wiederholen: über ein Viertel der Anlieger in unserer Obergasse zu Niederzeuzheim würden mit der Zahlung der letzten Rate aus einer besagten Stundung der Straßenausbaugebühre aus dem Jahre 2021 das achtzigste Lebensjahr überschritten haben; es ist gut denkbar, dass ähnliche Fakten landesweit gelten.
Im Lichte dieser Vorgabe ist es schwer vorstellbar dass die Entscheidungsträger im Hessischen Landtag am 18.5.2019, als sie die Möglichkeit einer Stundung der Gebühren über 20 Jahre beschlossen, diese Realität klar vor Augen hatten; sehen wir es ihnen nach, sie dachten gewiss, dieses süße Bonbons würden die Stimmung im Lande beruhigen… Weit gefehlt! Wie sich zwischenzeitlich rausstellte, handelte es sich um „saure Drops“, die vielen nicht schmecken und die für manche Anlieger schwer oder gar nicht zu verdauen sind.
Sollten die Entscheidungsträger im Landtag seinerzeit jedoch bewusst verdrängt haben, welches Unheil sie auf den Weg bringen, so wäre dies der zweite Skandal für die hessischen Bürger und Bürgerinnen, neben der Doppelbelastung durch Zahlungen innerhalb des Länderfinanzausgleichs und Straßenausbaugebühren.